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Episoden-Webseite - TeRa.doku_001 - Marita - Die Trauerbegleiterin - Teil 1

Teil 1 des Interviews mit Marita, einer Trauerbegleiterin der Malteser in Hannover.


Wut, Leid, Lachen… das alles ist Trauern. Und noch viel mehr.

Der Tellerrand-Reporter im gespräch mit Marita.

In Teil 1 stellt sich Marita vor, erzählt über ihre Arbeit und wir sprechen über Trauer, Elefanten und darüber, dass Marita häufig von den Trauernden gefragt wird, ob „sie noch normal sind“. Trauer macht nämlich sehr vieles und wirkt sich auf den ganzen Menschen aus. Auf den Kopf, Körper und die Emotionen.

In Teil 2 gibt Marita Tipps für Trauernde und Zugehörige, wir sprechen über Maritas Unmgang mit dem Tod und der Trauer und wie man selbst Trauerbegleiter werden kann. Teil 2 folgt in Kürze… hier in Deiner Podcast-App und auf tellerrand-reporter.de.

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Hallo, ich bin Richard Mücke und Dein Tellerrand-Reporter.

Wut, Leid, Lachen… das alles ist Trauern. Und noch viel mehr.

Der Tellerrand-Reporter im gespräch mit Marita. Marita heißt eigentlich Maria-Theresia Bernhold, wird aber Marita genannt. Und sie ist Trauerbegleiterin bei den Maltesern in Hannover.

Ich hatte die Gelegenheit mich mit Marita über ihre Arbeit in der Trauerbegleitung zu unterhalten.

In Teil 1 stellt sich Marita vor, erzählt über ihre Arbeit und wir sprechen über Trauer, Elefanten und darüber, dass Marita häufig von den Trauernden gefragt wird, ob „sie noch normal sind“. Trauer macht nämlich sehr vieles und wirkt sich auf den ganzen Menschen aus. Auf den Kopf, Körper und die Emotionen.

In Teil 2 gibt Marita Tipps für Trauernde und Zugehörige, wir sprechen über Maritas Unmgang mit dem Tod und der Trauer und wie man selbst Trauerbegleiter werden kann. Teil 2 folgt in Kürze… hier in Deiner Podcast-App und auf telleerrand-reporter.de.

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Marita, die Trauerbegleiterin bei den Maltesern Hannover

Marita, eigentlich Maria-Theresia Bernhold, ist 57 Jahre alt, studierte Gartenbauerin und ist hauptamtliche Referentin im sozialen Ehrenamt und Koordinatorin für die Trauerarbeit bei den Maltesern in Hannover. 2015 begann sie bei den Maltesern eine Besuchshundegruppe aufzubauen. Sie war damals arbeitslos und wurde über eine Freundin auf die Malteser aufmerksam. Zwei Jahre später, also 2017, übernahm sie die Trauerarbeit von ihrem Vorgänger. Auch wenn Marita sich die Übernahme dieser Aufgabe erst nicht vorstellen konnte: „Das kann ich nicht!“ war ihr erster Gedanke. Ihre Vorgesetzte antwortete ihr damals voller Vertrauen: „Klar kannst Du das!“.

Parallel zur umfassenden und zweistufigen Ausbildung bei den Maltesern, arbeitete sie direkt als Trauerbegleiterin.

Sie mag den Begriff Trauerarbeit nicht so gerne und nutzt lieber den Ausdruck „Trauerbegleitung“. Bei der Trauerbegleitung werden Trauerende ein Stück des Weges in ihrer Trauer begleitet, um sie wieder zurück ins Leben geleiten zu können.

Dabei ist Trauer sehr facettenreich: ob Trauer um einen verstorbenen Menschen, ein verstorbenes Tier oder auch um einen Partner, den man durch Trennung, Scheidung u.ä. verloren hat. All das ist Trauer.

Hierbei unterstützen die ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen bei den Maltesern aber in aller Regel Menschen, die andere Menschen durch Tod verloren haben. Dies liegt unter anderem an fehlenden Ressourcen aber auch daran, dass die Malteser historisch bedingt vor allem bedürftigen Menschen helfen.

Als Koordinatorin wird Marita von Trauernden zuerst angesprochen und arbeitet eng mit anderen Institutionen zusammen, die Trauerbegleitung durchführen. So kann sie spezielle Trauerfälle, beispielsweise Suizide, an Spezialisten verweisen.

Bei den Maltesern in Hannover sind derzeit 15 Ehrenamtliche für die Trauerbegleitung tätig. Zwei von ihnen betreiben das sogenannte Trauer-Cafe. Dort können Trauernde ohne Anmeldung (während der Corona-Pandemie ist eine Anmeldung allerdings doch Voraussetzung) und ohne Festlegung auf Termine oder Zeiträume vorbeischauen. Im Gegensatz dazu stehen die Einzeltermine, die meist auf zehn Sitzungen beschränkt sind oder auch Besuche in einer Trauergruppe.

Interessanterweise überwiege nicht das Gefühl der Trauer in der Trauerbegleitung. „In den Gesprächen mit den Menschen lachen wir tatsächlich viel.“

Ihr ist es wichtig Distanz zu wahren. Marita: „Ich habe Mitgefühl, aber nicht Mitleid.“

2021 führte Marita 50 bis 60 Erstgespräche mit Trauernden. In diesem ersten Beratungsgespräch prüft Marita, ob das Angebot der Trauerbegleitung überhaupt zum Hilfesuchenden passt. Zwar sei nur selten eine Therapie nötig, aber in bestimmten Fällen kann eine ehrenamtliche Trauerbegleiterin nicht die Hilfe leisten, die notwendig ist. Dann verweist Marita an entsprechende Einrichtungen.

Manchmal genügt aber auch schon das circa einstündige Erstgespräch. Es reiche tatsächlich in manchen Fällen, wenn sich ein Trauernder in dieser Zeitspanne öffnen und so den Schmerz von der Seele sprechen könne.

Das Aufkommen ist seit dem Frühjahr recht hoch, so dass die Malteser in Hannover eine Warteliste erstellen und einen Aufnahmestopp ausrufen mussten. Es sei falsch, ein Erstgespräch zu führen und dann monatelang keine Trauerbegleitung anbieten zu können.

So eine Einzelbegleitung besteht aus bis zu zehn Terminen, die sich in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten hinziehen. Die ehrenamtlichen Malteser entscheiden selbst, wie viele Begleitungen sie übernehmen.

25 bis 30 Einzelbegleitungen führen so die Malteser in Hannover jedes Jahr durch.

Eine Einzelbegleitung kostet nichts und wird aus Spenden finanziert. Bei den Trauergruppen gibt es leider das Phänomen, dass Termine nicht eingehalten werden und so Menschen, die einen Platz in der Gruppe dringen bräuchten, nicht kommen können, während angemeldete Trauerende Termine ohne Absage ausfallen lassen. Daher werden inzwischen 50€ für zehn Termine bei jungen Menschen berechnet und 80€ bei den älteren Trauernden. Natürlich, so betont Marita, bekommen Menschen, die sich diese Kosten nicht leisten können, keine Rechnung und können dann unentgeltlich an den Gruppen teilnehmen.

Vom Erstgespräch zur Begleitung

Kostenlos, unverbindlich und rund eine Stunde Dauer - das sind die Eckdaten des Erstgesprächs, das Trauernde mit Marita führen.

„Die Trauernden müssen sich auf den Weg machen und zu mir kommen.“. Das ist Marita ein wichtiger Punkt für das Erstgespräch. Hausbesuche werden daher nur in seltenen Ausnahmefällen durchgeführt. Gerade, weil sich Trauernde gerne zurückziehen und besonders dünnhäutig sind, ist es wichtig, dass sie sich selbst auf den Weg begeben.

Marita kann die Aufregung der Trauernden gut verstehen und beginnt in der Regel das Erstgespräch damit zu erklären, was bei der Trauerbegleitung eigentlich gemacht wird. Nach einer kleinen Einführung in die Trauerarbeit der Malteser bittet sie dann ihren Besucher darum, von seiner Situation zu berichten.

Corona sorgt auch bei der Trauerbegleitung für Probleme. Eine Trauernde, Marita erinnert sich gut an sie, betonte im Erstgespräch, dass sie gerne in eine Trauergruppe gehen würde. Ihre Lebenspartnerin war verstorben. Dann kam Corona und alle Gruppen mussten abgesagt werden. In der Folgezeit blieben die beiden in Kontakt und trafen sich auch persönlich. Endlich, nach zwei Jahren Wartezeit, konnte die Dame in eine nun wieder stattfindende Trauergruppe aufgenommen werden: „Da gehört sie auch rein!“, so Marita.

Trauer konserviert und wird oft unterdrückt, erklärt Marita. Die organisatorischen Dinge stünden erst mal im Vordergrund. Woher bekommt der überlebende Partner Unterhalt? Eventuell muss eine Wohnung gewechselt werden oder der Trauernde verliert aufgrund der Trauer sogar die Arbeit.

Durch den Fokus auf die naheliegenden sachlichen Aufgaben, wird der Trauer kein Platz eingeräumt. Sie wird weggedrückt und kommt erst nach Monaten oder sogar Jahren wieder.

Marita berichtet von einer Mutter, die den Suizid ihres Sohnes 25 Jahre nicht verarbeitet hatte. Sie kam dann zu Marita ins Erstgespräch und konnte hier das erste mal der Trauer den Platz einräumen, der ihr zusteht.

Das Unterdrücken von Trauer ist auch ein gesellschaftliches Problem: eine Krankschreibung beim Arzt ist schnell und einfach für körperliche Beschwerden zu bekommen. Aber Trauer? Im Bürgerlichen Gesetzbuch werden im Paragraphen 616 (§ 616 BGB) keine Zahlen genannt. In den Tarifverträgen findet sich daher oft ein Anspruch auf ein oder zwei Tage Sonderurlaub bei dem Tod eines nahen Verwandten. Dies ist bei weitem zu wenig, um sich um all die organisatorischen Fragen und die Trauer zu kümmern.

Marita vermittelt bei Einzelbegleitungen nach dem Erstgespräch den Kontakt zu einer ihrer Begleiterinnen. Ob sie viel oder wenig von dem Trauernden berichtet, hängt von der ehrenamtlichen Begleiterin ab. Wen Marita anspricht, hängt unter anderem von der räumliche Nähe und natürlich den freien Kapazitäten ab. Aber vor allem prüft sie, wer zu wem passt.

Die Trauerbegleitung

Nach dem Erstgespräch und der erfolgten Vermittlung übernimmt die ehrenamtliche Begleiterin alles weitere.

Die Malteser können auf mehrere Räumlichkeiten, beispielsweise Büros, Gruppenräume oder auch Gesprächsräume in Altenheimen zurückgreifen. Seit Corona nimmt aber auch das Treffen der Begleiterin mit dem Trauernden in der Natur zu. Beim gemeinsamen spazieren gehen „kommt der Geist gut in Gang.“, was der Trauerarbeit sehr zuträglich ist. Auch längere Gesprächspausen werden wesentlich weniger unangenehm empfunden, wenn Naturgeräusche zu hören sind und der Körper in Bewegung ist.

Beim ersten Treffen lernen sich die beiden Personen kennen. Die Sterbegeschichte wird zwar angesprochen, sollte aber nicht zu stark thematisiert werden. Der Fokus der Trauerbegleitung lieht auf dem Überlebenden und nicht auf dem Verstorbenen.

In bestimmten Fällen können die ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen auch bei organisatorischen Fragen unterstützen. Dieser Bedarf bestünde aber nur selten, so Marita. Viel häufiger brauchen die Trauernden Begleitung zum Friedhof. Sie schaffen es nicht, alleine zum Grab zu gehen.

Oft fehlen auch konkrete Trauerorte. Dann suchen die Trauerarbeiterinnen gemeinsam mit dem Trauernden nach Alternativen. Gründe dafür, dass ein konkreter Ort fehlt, können beispielsweise Flugunfälle sein, anonyme Beerdigungen oder aber auch, dass der Verstorbene Mensch noch verheiratet war und der neue Partner nicht offiziell bekannt ist. Dieser hat dann keine Möglichkeit richtig Abschied zu nehmen, weiß manchmal nicht einmal, wo der geliebte Mensch begraben wurde. Auch hier können manchmal die Malteser durch Recherche helfen und die Grabstelle ermitteln.

Viele Trauernde suchen aber nach einer Möglichkeit mit jemanden zu reden. Nach einiger Zeit der Trauer wollen oder können die Trauernden ihre Freunde und Angehörige nicht mehr mit diesem Thema belasten. Daher wenden sie sich dann an die Trauerbegleitung.

Trauer hat kein Ablaufdatum: „Wir können sagen 'Es wird besser', aber wir können nicht sagen wann.“

Marita hat den Eindruck, dass das Trauern in der Familie schwieriger geworden ist, weil auch das Trauern in der Gesellschaft schwieriger geworden sei. Wenn angehörige sagen, dass die Trauernde eine Therapie brauche, stehe oftmals kein Therapieplatz zur Verfügung. „Es ist tatsächlich so, dass viele Trauernde keine Therapie brauchen, weil das einfach ein natürlicher Prozess ist, um mit dem Verlust fertig zu werden.“

In unserer Gesellschaft sind die Menschen überfordert im Umgang mit Trauernden. Ein Phänomen ist es, dass aus Angst vor Trauer der Trauerfall nicht angesproch n wird

Das war Teil 1. Marita, die Trauerbegleiterin, begrüße ich in Teil 2 in wenigen Tagen hier auf den Kanal.

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Ich bin Richard Mücke, Dein Tellerrand-Reporter.

Auf Wiederhören.

Musik: Gerd (Elysis) Raudenbusch

Produktion 2022 Tellerrand-Reporter

Links, Quellen usw. sind im Transkript direkt angegeben.

Dank / Urheberrechtsangaben

Musik: Gerd (Eylsis) Raudenbusch

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Marita - Die Trauerbegleiterin - Teil 1
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